Was ist Wahrheit?

Braucht mitunter nur einen Perspektivwechsel, um entdeckt zu werden...
Braucht mitunter nur einen Perspektivwechsel, um entdeckt zu werden...

 

 

 

 

Neulich hörte ich eine Äußerung der Art, dass sich angesichts der ja immer stärker verdichtenden globalen Verwerfungen vor allem die unterentwickelten Völker jetzt mal etwas mehr darin bewegen müssten, von ihren antiquierten Weltbildern und ebenso überholten Glaubensvorstellungen abzurücken und dies vor dem Hintergrund, dass man dort mit dem gleichen Selbstverständnis wie überall auf der Welt sich für das neuere Smartphone entscheidet oder sich den Alltag updatet und abgesehen vom Umstand, dass die Wortwahl von unterentwickelten Völker‘ sich nicht empfiehlt, wo man in einem transnationalen Unternehmen eine Anstellung sucht, liegt dennoch ein wahrer Kern in dieser Bemerkung. Wenn innere Empörung über das Herabsetzen von anderen solch Erkennen denn noch zulassen mag.

 

 

 

In einem früheren Essay (Zu Dumm) ging es unter anderem auch um die Feststellung, welche Umstände es braucht, sich fremder Realität zu verschreiben und mit welchen Folgen sich das auswirkt. Etwa an die Gestalt einer scheibenförmigen Erde unverbrüchlich zu glauben und andere diesbezügliche Vorstellungen als Ketzerei zu unterdrücken (und schon mal vorbeugend auf Scheiterhaufen zu verbrennen oder in modern vor Smartphone Kameras möglichst martialisch aus dem Leben zu reißen).

 

Oder dass der große Parteivorsitzende immer Recht hat und das in Frage zu stellen, lässt sich ja auch in Sibirien oder der Wüste Gobi tun oder auch zu Füssen einer Grube beenden.

 

Oder das Donald Trump wirklich der geeignete Präsident ist, um America wieder great zu machen (wobei er nicht wirklich präzise darin geworden ist, in was genau er Amerika gern wieder groß sähe, also gilt die Annahme einer Great Bullshitery ebenso wie alles andere, in dem sich groß sein lässt).

 

Dabei sollte natürlich im Auge behalten sein, dass selbst Trump Wähler des Bibelgürtel sich in der Mehrheit lieber fürs neuere Smartphone entscheiden oder die modernere Schusswaffe, neben dem eigentlich Aim, dem Anlass, der Republikanern ihre Stimme sichert aus alter Tradition.

 

Nur, was geht da gerade bloß so entsetzlich schief, mag man sich fragen und ich schreibe ENTSETZTLICH in Großbuchstaben vor allem für jene, die überall auf der Welt unter den Folgen dessen leiden, was ich das Diktat relativer Wahrheiten nenne.

 

Zeigt mir bitte einen populären Glauben, einen einzigen oder eine anerkannte Philosophie, kann auch quasi religiös verklärte sein, wie bei Scientology oder der Anthroposophie, sie alle bemühen sich um eine Ganzheit, doch egal wie stimmig sie sich auch mehrheitlich darstellen, ein alter Freund hat das mal beschrieben mit dem Beispiel einer Party, auf der ihm etwa 96,86% der Leute wohlwollend begegnen und er könnte das nicht genießen, einen so hohen Zuspruch, ohne sich zu fragen, was mit den 3,14% ist, die nicht mit ihm d'accord gehen, aber das ist noch ein eher harmloser Versuche Ganzheit zu erschaffen, Scheiterhaufen und Gruben schaffen da ein ganz andere Realitäten, diese Versuche haben mehr Leiden in der Geschichte verursacht als alle Epidemien, nicht nur die, von denen es aus der Geschichtsschreibung Zeugnisse gibt oder solche aus der Archäologie. Und als Zugabe auch noch die Folgen sämtlicher Naturkatastrophen obendrauf. Und trotzdem sagen wir viel zu oft Schulter zuckend: „Na, mag sein.. und was machen wir jetzt..?“ Und mustern danach auf der Pequod an.

 

Der gelegentlich (und gern) schon erwähnte Robert Anton Wilson hat bereits in den siebziger Jahren festgestellt, dass wir nun in Zeiten leben, in denen wir es uns einfach nicht mehr leisten dürfen, jemandem auch nur das Gefühl zu vermitteln, dass er oder sie oder es unterdrückt sein könnte. Und um wieviel mehr gilt das heute, wenn man die Zeitung aufschlägt? Und wieviel tun wir selbst dafür, dass andere immer noch so empfinden?

 

Wenn es etwa ein neuer X-Phone Standard wäre, dass wir es frei benutzen könnten, wofür wir wollen, wenn wir im Gegenzug darauf verzichten, uns anderen gegenüber besser oder überlegener zu geben und eine spezielle App das am Tonfall ebenso feststellt wie an unseren Hormonen und ihren Ausdünstungen, wir da gesperrt werden könnten von diesem Privileg, so wir uns danach benehmen, wäre es da nicht egal, was andere glauben, meinen, denken, zumal, wenn sie dasselbe X-Phone Modell benutzen?

 

Neulich saß ich nach langer Zeit wieder in einem Kino (Tenet ist der Beweis, dass manches Filmschaffen sich nur in einem solchen Rahmen zeigen lässt) und ich war so gespannt, ob und wie die Vorab Werbung auf die gegenwärtige Corona Krise ihren Bezug nehmen würde und sah, wie die großen Player, hier Bild, Coca Cola und Levis vom Wir Gefühl kündeten und dass eine globale Erfahrung wie diese uns nun wirklich mal den Anstoß geben sollte, unser Leben ganz neu zu denken und dass wir sicher am Ende auch wieder zusammen tanzen werden (in Jeans selbstredend), aber nun als die neuen, besseren Erdenbewohner, wie selbst unsere einheimischen Religionen sich so was längst nicht mehr trauen zu bewerben, warum auch immer, fragt man sich da mitunter, aber es fehlt deren Verwaltern vielleicht auch die Erfahrung, wieviel Power, wieviel Licht im eigenen Glauben steckt, es zu lesen und es selbst erfahren zu haben sind tatsächlich zwei Paar Sandalen, aber hier im Kino ließe es sich zumindest mal bewerben zwischen all den weltlichen Alternativen, Umschalten lässt sich im Kino auch nicht, also was soll da schief gehen?

 

 

 

Aber egal, ich fühlte mich zuerst ein wenig empört darüber, dass unsere gute Botschaft, die auf Transzendenz und auf Verbindung im Leben hin wirkt, sogleich von den Big Playern darin gekapert worden ist wie von Piraten aus der Karibik, die jenseits ihrer schönen Worte und Bilder doch vor allem eines wollen, nämlich weiter vorn dabei sein in ihrem Meinung bilden können und ihrem Lebensart verkaufen.

 

Es macht diese gute Botschaft zu etwas profanem, ja verunreinigte sie geradezu in jener offensichtlichen Absicht, der außer Bilanzen nichts heilig scheint (und wie schnell ist man da in Gedanken dabei, eigene Scheiterhaufen zu errichten..).

 

Doch dann überzeugte mich meine liebe Frau, dass die Kraft der Botschaft mittlerweile wohl so stark geworden zu sein scheint, dass selbst die Big Player sie nicht mehr länger negieren können oder einfach ignorieren.

 

Und gestern hörte ich unseren Wirtschaftsminister Altmaier, der nicht vor lang dabei erwischt worden ist, den Entwurf eines Gesetzestextes von jenem Pharmakonzerns, der in seinem Wahlkreis angesiedelt ist beinah unverändert als Abstimmungsvorlage einzubringen und daher meinen Restkredit an Zutrauen verwirkt hat, denn das ist weniger integer als ein Fußball in einem Baseball Spiel, jedenfalls sagte der Herr Alt-aus-seh-maier, dass wir heraus gefordert sind, heute Entscheidungen zu treffen, deren positive Auswirkungen von uns selbst nicht mehr festzustellbar sein werden, wir die Entscheidungen aber dennoch künftigen Generationen schulden.

 

Erst erwartete ich noch, dass sich dies in einem größeren Zusammenhang als Satire erweisen würde („April; April“), aber zu dieser Jahreszeit..?

 

Er scheint das ernst gemeint zu haben.

 

Wenn also ihr, liebe Cola-, Jeans oder Zeitungsleute anerkennt, dass es nicht möglich ist, eure Geschichte bis an das Ende aller Tage aktiv weiterzuschreiben, wie schon so vieles vor euch auf und wieder abstieg und ihr irgendwann das alte Smartphone Modell darstellen werdet und dass das völlig in Ordnung ist und kein Sakrileg, dem sich entgegen zu stemmen gilt mit aller Macht*, macht ihr mich schon ein wenig neugierig, auf welche Art und Weise ihr eure Ressourcen an eine Zukunft übergeben werdet, in der ihr dann nur noch eine Erinnerung an das Dunkle Zeitalter seid.

 

Was für jeden von uns gilt, der nicht loslassen mag von dem, was ihn als Kind seiner Zeit in sein gegenwärtiges Glaubensgefängnis einkerkert.

 

Doch ist es wirklich vorstellbar, dass eine Gottheit in ihrer Allmacht sich über so eine Gefangenschaft freut?

 

 

 

 

 

 

 

*) Als eine kleine Denksportaufgabe, Freunde, wie ließe sich der Gebrauch und Missbrauch von Macht wohl so gegeneinander führen, dass es wie in einem Yin/Yang der taoistischen Philosophie zu beständig wechselnden Kräfteverhältnissen kommt? Wie würde eure Arbeit aussehen, wenn ihr dort so ermächtigt wäret, euch nur den Metazielen (nicht an Personen gebundene Ziele) unterzuordnen?