Ein Sommertagstraum

"..sag, was wird ihm heute gegeben..?" "Eine Omschau, scheint's." "Du meinst Umschau?" "Ich sag, was da steht." "Lasst ab vom Streiten, ich hör ihn kommen..".."
"..sag, was wird ihm heute gegeben..?" "Eine Omschau, scheint's." "Du meinst Umschau?" "Ich sag, was da steht." "Lasst ab vom Streiten, ich hör ihn kommen..".."

 

 

 

 

 

..ah, so herrlich frei von Arbeitsfron, fühlt sich hier Lebenslust…

(Dab-Dab, Trappe-Di-daa-di, da-da, Dab-Dab, Trappe-Di-Daaa)

 

Es ist Freitag, der 07. Juni 2013, Mitte einer recht unspektakulär verlaufenden Föhr Freizeit, wo ein arbeitsfreier Amrum Tag weniger verdient erscheint als auf anderen Freizeiten, typische Nebenwirkung des Sozialberuflichen, doch da bin ich, mit der Vorfreude von Monaten endlich wieder auf Amrum zu sein, hurra!

 

Nach dem Joy Stick am Minigolfplatz und raschem Eintauchen in die psychedelische Welt, unterstützt vom Soundtrack des Tages (H‘airial Grooves und Goa) und wozu die Sonne einmal mehr so kräftig blau scheint, wie es junge Sommerszeit möglich sein lässt, sagt, ist es da nicht eine Lust zu leben und seine Schritte wie Tanzspuren hinter sich zu lassen..(Dab-Dab, Trappe-Di-daa-di, da-da, Dab-Dab, Trappe-Di-Daaa) ?

 

Und endlich mal keine Fragen an Inhalte dieser Reise, was stimmiger darin gestaltbar wäre, auf wessen Bedürfnisse es noch ein Auge zu halten gilt, sie sind alle befriedigt, wie ich weiß, kein Hauch von Unmut oder Krise, allenfalls, wenn die Kurkapelle ihren Auftritt beendet, aber das liegt nicht in meiner Macht, zum Glück, deren Spiel endlos auszudehnen und morgen geht es ja wieder weiter, jetzt gerade tut es das auch…

 

Nein, hier heißt es einfach nur genießen für mich (was immer etwas schwer fällt, alles völlig loszulassen) und das bis zur letzten Fähre um 17:30, wenn mir danach ist.

 

(Dab-Dab, Trappe-Di-daa-di, da-da, Dab-Dab, Trappe-Di-Daaa)

 

Hinterm Strandabschnitt Nebel, zu dem ich durch sanfte Wellen gewogt bin, stellt mein DD II Walkman plötzlich seinen Betrieb ein. Nichts geht mehr bei ihm, nicht mal Vorspulen (zurück wollte er schon beim Erwerb nicht mehr). Wie kühn es mir im Nachherein doch erscheint, über Jahre mit nur einem Gerät unterwegs gewesen zu sein und deutlich schlechteren, was die Soundqualität betrifft, hole ich mein Ersatzgerät, einen Aiwa px 310 heraus, der mich kaum schlechter, allenfalls leiser in Goa Trance wiegen und durch das kühle Nass gleiten lässt, es bleibt gechillt..

 

(Dab-Dab, Trappe-Di-daa-di, da-da, Dab-Dab, Trappe-Di-Daaa)

 

Hinter Süddorf wird eine Badepause eingelegt und nach der liege ich noch eine Weile im warmen Sand, genieße das Wellenrauschen und dass kaum Wind geht an diesem Tag. Und auch wenn ich nicht der Typ bin, der sich gern ganz der Entspannung hin gibt, gelingt sie mir, so schön beschert, ohne Verlangen nach einem Asbach Uralt, dafür noch einen Joy Stick.. Und ich habe noch soooooo viel mehr Zeit...

 

(Dab-Dab, Trappe-Di-daa-di, da-da, Dab-Dab, Trappe-Di-Daaa)

 

Von der Rast geht es den Dünen entgegen. Für Juni ist es schon warm, fühlt sich an manchen Sandstellen sogar richtig heiß an unter nackten Fußsohlen und der Weg in die Dünen ist hier ein weiter und von einzelnen Muschelbänken durchzogen, wie der Amrum Kenner weiß, die Landschaft hat etwas von einem Italo Western. Ich freue mich schon auf die Rast in Wittdün, in einem seiner Saloons, als ich aus den Dünen, zu denen ich grad parallel laufe, ein leises Wimmern vernehme, weil die Kassette auch grad an ihr Ende gelangt ist. Was wimmert da? Und tut es das überhaupt? Doch, da, schon wieder. Ist das ein Kind? Die Art, wie es das tut, leidend, erinnert mich an den 37° Beitrag über das Mädchen vom Mann mit der Maske, wie die Kriminalpolizei über Jahre nach ihm gesucht hat, das in der Reportage im Originalton zu hören war, als er sich für sein Internet- Publikum an ihm vergeht.., Flashback, 1982, wir sind nach der Arbeit im Kino noch zu fünft an die Elbe gefahren, Museumshafen, Övelgönne. Es ist Donnerstagnacht. Wir rauchen auf dem Anleger eine große Tüte, schauen auf das Glitzern des Stromes, gechillt, wie das damals noch nicht heißt. Als wir uns wieder auf den Weg machen und die Anlegerbrücke betreten, ist vom Parkplatzfeld rechts unter dem großen Kühlhaus, das heute eine Altersluxusresidenz ist, ein Hilfeschrei zu hören, von einer Frau, etwa unser Alter, wie sie klingt. Und ich merke, wie es sich in mir zusammen zieht, noch verstärkt von dem Zeug, das in der Tüte war, oh, bitte jetzt nicht so etwas.., nächster Flashback, 1978, wo sich plötzliche Ausbrüche von Gewalt in meiner Dulsberger Heimat vor mir ereignen und schon da und ohne gekifft zu haben nicht mit der Neigung, mich da irgendwie einzumischen, außer dem einen mal, als ich sturztrunken in der HDJ Disco zwei größere Kerle voneinander trennte, aber in so einem Zustand befinde ich mich nicht, alles scheint unwirklich und wirklich zugleich. Weitere Schreie. Und von den anderen zeigt sich auch keiner bereit, den dunklen Weg nach dem Parkplatz zu beschreiten, um nachzusehen, was da vor sich geht, obwohl, wie das klingt, scheint es ja klar und auch andere Leute kommen nun dazu, fragend und einer geht und ruft die Polizei aus der nächsten Kneipe in dieser Prä- Handy Zeit und die kleine Gruppe, die wir inzwischen geworden sind, vernimmt jetzt nur noch Stille, die eingetreten ist.., wann kommt bloß die Polizei endlich..? Da hören wir vom Parkplatz einen Motor starten, dann einen zweiten und die Auffahrt hoch kommen nun zwei große Schlitten, besetzt mit Luden Gestalten, ihren Mini-Pli Frisuren und Pornobalken und zwei aufgebrezelten Frauen im Fond des zweiten Wagens, lassen uns da stehen und als die Polizei erscheint und erfährt, was passiert ist, folgt sie denen auch gleich mit Blaulicht und Tatü. Mir aber bleibt aus der Nacht das Resümee: Ich habe versagt, wie Parzival in Excalibur, dem Hilferuf nicht gefolgt zu sein aus eigener Angst.

 

Dies Gefühl wird nun künftig an mir nagen…

 

Hier aber, auf Amrum, auf meinem Kraftplatz, bin ich inzwischen im Schwertkampf geübt und trage mein hölzernes Übungsschwert immer bei mir, seit ich 2009 entdeckt habe, wie schön es sich hier damit tanzen lässt, doch bevor ich auf diese Düne steige, hinter der das Wimmern nun verstummt ist, bringe ich mich schnell noch mit ein paar Schnitttechniken und Bauchatmung in einen erhöhten Spannungszustand, in dem sich danach die Düne erklettern lässt und hinter ihr sehe ich.., nichts! Da ist rein gar nichts außer Dünensträuchern und dem Flugsand.

 

Und obwohl ich natürlich froh bin, dass ich nicht aktiv in ein scheußliches Verbrechen einzugreifen brauche, frage ich mich während des Abstiegs, was mich da wohl gerufen haben könnte für diese Unterbrechung, lege die unten abgelegten Sachen wieder an… und stelle fest.., dass mir meine Bauchtasche fehlt! In der befindet sich nicht nur meine Brieftasche, sondern auch mein Rückfahrtticket. Flashback. Ein Jahr zuvor wird mir meine Brille auf der Arbeit entwendet, in ihrer Bewerbung ein Sache ohne Zuzahlung, in der Realität dann doch ziemlich teuer geworden, es ist bekannt, dass es unter meinen Klienten Kleptomanen gibt, die aufgrund ihrer Biographien wohl auch machtlos sind dieser Neigung gegenüber, aus dem Grund enthält meine Brieftasche nun auch neben meiner eigenen Barschaft, den aktuellen Rest dieser Freizeit und meine Kontokarte, kurzum, wir sind nicht nur ziemlich, wir sind richtig am Arsch, wenn die weg bleibt, denn mit mir reist eine junge Studentin, die, wie ich ihr Leben einschätze erst nach der Reise wieder genug Geld haben wird, mit dem sich die Reise hier noch fortsetzen ließe und heute wird noch eine FSJlerin als ihre Ablösung erwartet, wo es vermutlich nicht besser bestellt sein wird. Wo ist nur diese verflixte Tasche? Und es durchfährt mich.

 

            Taa,-ta-ta-taa, ta-ta-taa….(Die Wetten, Dass Melodie der Verlierer)

 

Die Pause am Strand! Vor dem Baden hab‘ ich die Tasche natürlich abgelegt und beim Aufbruch wohl glatt vergessen in meiner Entspannung.

 

Also schnell wieder zurück nach dahin und das muss jetzt aber auch wirklich schnell gehen, denn das Wetter lockt auch andere, da umzugehen, aber wo genau habe ich eigentlich gelegen? Es ist so weitläufig dort…

 

Ich bin kaum aus den Dünen heraus, als ich auch schon Zweien begegne, die von Richtung des Strandes kommen, sehen mein Annähern skeptisch, wo es hier doch viel Platz hat, sich auszuweichen, der Unhold aus den Dünen, es gibt ihn also doch..

 

„Eh, kommen Sie grad vom Strand?“

                                                                                              „..ja.“

„Ham sie da vielleicht etwas, ich mein, ich hab‘ da wohl meine Bauchtasche liegen lassen.“

                                                                                              „..ja.“

 

Irgendwie wirkt der Mann, als wüsste er was, aber er rückt nicht damit heraus und seine Frau sagt gar nichts, hält sich weit am Rand, wohl bereit Hilfe herbeizurufen.

 

„Ich muss da jetzt schnell mal hin..“ lasse ich die beiden stehen.

 

Auf den vermuteten Abschnitt meines Pausenliegens zurück gekehrt, sehe ich eine ganze Menge an dunklen Flecken um mich herum, die eine Bauchtasche sein könnten, laufe hektisch wie ein Huhn von hier nach dort und es ist immer wieder nur Seetang und ich fühle mich immer mehr derangiert, mein Wasser längst getrunken und wenn ich wirklich auf der letzten Fähre sitzen will, muss mit der auch die FSJlerin angereist sein, mich auszulösen, denn wie gesagt, die Fahrkarte ist auch in der Tasche und sich am Anleger das Geld dafür zusammen zu schnorren, abgerissen wie ich nun dastehe, von meinem Outfit ja eh, in dem man wirklich keinen Vogelfreund vermutet und durch die Presse geht grad diese Geschichte vom Hochstapler, der sich an Flugplätzen überall auf der Welt an deutsche Touristen heran macht und ihnen mit windigen Geschichten ihr Geld abschwatzt und jetzt fängt das auch schon auf Amrum an, nee, keine Chance. Zum Glück ist mein Handy in einer der Rucksacktaschen geblieben und nicht auch noch verloren und nachdem ich hier einen so großen Abschnitt durchsucht habe, dass die Bauchtasche wohl als gefunden gelten muss, geht es zurück nach den Dünen, immer noch eilig, weil die Verbindung da besser ist und ich schildere Debby auf Föhr, was passiert ist und dass sie Mona sofort wieder auf die Fähre setzen soll, wenn sie erscheint, mich zu holen. Meine Familie als eine Unterstützungsressource befindet sich geschlossen in Berlin auf der Jahresfeier eines Onkels und auf dem Rest des Weges, der unter der blendend heißen Sonne und ihrem reflektiertem Licht schon genug erschöpft hat, hole noch mal alles raus, was meine Vorbereitung auf ein Duell in den Dünen frei gesetzt hat.

 

Auf dem Wege lese ich in einem Schaukasten, dass die Polizeistation seit einer Stunde geschlossen hat. Das ist Pech. Und an der Fährverkaufsstelle, wo ich die Misslichkeit meiner Situation so gut schildere, wie das angesichts meiner Nerven noch möglich ist, erfahre ich, dass das hiesige Fundbüro auch erst wieder Mittwoch öffnet, einen Tag, nachdem wir von Föhr abgereist sein wollten und überhaupt, morgen noch mal her fahren, wenn jemand die Tasche abgegeben hat oder um eine Verlustanzeige zu machen und Mona alleine lassen, was uns auf Freizeiten eigentlich nicht gestattet ist aus versicherungsrechtlichen Gründen und ob wir nicht jetzt eher alle abreisen müssen angesichts der Entwicklung, aber was wird das für ein Rattenschwanz, die ganzen Papiere und Karten neu zu beantragen so kurz vor dem Sommerurlaub in der Schweiz, das Fahrkarten Abo auch und ohne Ausweis komm ich hier auch nicht an mein Konto, die Lage ist so grandios beschissen, wie es sich ausmalen lässt und versucht die Schuld dafür auf die mitreisende Kleptomanin zu schieben, ohne die ich alles hätte vor Ort lassen können.., allzu menschlich, bringt es mich auch nicht zu besserer Stimmung, ich würde am liebsten in die Luft gehen, wenn ich noch Kraft dazu hätte, nehme schließlich draußen Platz auf einer Bank vor der Verkaufsstelle und weiß mich dabei immerhin ausgelöst, die Fähre ist von ihr auf Föhr gekriegt worden, hat Mona mir grad mitgeteilt. Ich will die Zeit des Wartens auf ihre Ankunft mit Musik ein wenig erträglicher gestalten, die mein erneutes Gefühl des Versagt Habens übertönt und muss feststellen, dass der Aiwa nun ebenfalls keinen Mucks mehr tut. Zwei Luxusmodelle an einem Tag geschreddert und wie gut hat der mal angefangen für mich…Würde es jetzt über mir zu regnen beginnen aus einer winzig, kleinen Wolke, es könnte den Moment nicht treffender pointieren.

 

Ich bin kurz versucht, in Berlin anzurufen, doch warum denen ihre Feierstimmung verhageln? Amrum hat sich zurückgeholt, was es davor so reichlich geschenkt hat bei meinen Aufenthalten. Das sollte, das muss dann okay sein, akzeptier es! Man kann ja nicht immer nur nehmen, nehmen, nehmen und immerhin bleibst Du hier nicht sitzen, gestrandet.

 

Und vor 69 Jahren und einem Tag haben andere an ihrem Strand noch viel mehr in ihrer Scheiße gesessen und buchstäblich und ohne die wäre ich heute gar nicht hier.

 

„..sind Sie nicht der Herr, der vorhin nach seiner Bauchtasche gefragt hat?“

Die Frau aus der Fährverkaufsstelle. Es ist grad bei ihr angerufen worden. Ein Otto vom FKK- Campingplatz hat die Bauchtasche am Strand gefunden oder sie ist ihm überreicht worden von anderen, genau kriege ich das nicht mehr mit unter dem hellen Aufflackern an Hoffnung und er hat nach ihrer Durchsicht schnell festgestellt, dass sie wichtig sein mag für den Verlierer. Sie kann nun am Campingplatz abgeholt werden.

 

Alles in allem sind das wunderbare Nachrichten. Doch auf dem Meer kommt nun die Fähre näher. Ihr Aufenthalt wird rund 25 Minuten betragen und zu Fuß ist der Leucht-turm etwas das Doppelte an Zeit entfernt, wenn man zügig ausschreitet, dazu noch der Rückweg, der nächste Bus dahin fährt auch erst, wenn die Fähre angelegt hat und wenn wir also deshalb die Rückfahrt verpassen und bleiben müssten, das Geld aus der Tasche und die Kontokarte vielleicht aber nicht mehr vorhanden sind.., naja, über eine Nacht mit Mona in Panchos Burg ließe sich gut in einem französischen Film erzählen, aber hier reicht es jetzt nur noch zu einem müde gewordenen Lächeln.

 

Jetzt müsste ein Taxi um die Ecke kommen und der Fahrer mir glauben, was ich ihm zu erzählen habe und vielleicht ist es ja doch keine schlechte Idee, etwas seriöser gekleidet in der Welt herum zu laufen und da biegt auch schon eines um die Kurve wie einbestellt und der alte Fahrer, der bestimmt schon viele Geschichten gehört hat, zeigt sich auch wirklich bereit, mich auf Kredit zum Leuchtturm zu fahren, wo er es bitte noch abwarten soll, dass ich schnell zum Campingplatz laufe und die Tasche hole, mache mich angelangt nach dahin auf, naja, mein Schnell ist eher ein Teilgenommen im Zeugnis, mir schmerzt jedes Glied, doch da sehe ich einen Radfahrer heran radeln, der mich mit einem breiten Grinsen fragt, ach, ob ich wohl der Herr M. wäre und nachdem wir einig darüber werden und ich ihm nur meinen Dank aussprechen kann, erreiche ich die Fähre zeitig genug, im Supermarkt einen kleinen Asbach (wenn schon, denn schon) zu erstehen und Pralinen für die Dame der Verkaufsstelle und das werden am Abend noch ein paar Schnäpse mehr und auch ein Besuch der Sauna und ein von allem herunter gekommener Besuch beim Müller im Park und ich kann mir sein Augenzwinkern schon ausmalen, warum ich meinem Kraftort nicht einfach vertraut habe, statt mir so ein Stressprogramm zu erschaffen?

 

Tja, kann ich da nur erwidern, mancher braucht es halt auf die harte Tour...

 

Dass der Rest der Freizeit danach so behäbig wie ihre erste Hälfte verläuft, geschenkt. Alle bleiben zufrieden damit, das zählt…

 

Und die beiden Walkman laufen am nächsten Tag wieder, als sei nichts gewesen.

 

                                   Ein Sommertags Traum Trip…