Knusper, Knusper...

 

 

 

 

 

 

 

 

Gehört ihr auch zu den Menschen, denen als Kind vorm Schlafengehen vorgelesen oder Geschichten erzählt wurden (und seid darüber hoffentlich immer noch glücklich)?

Und dass das mitunter nicht unbedingt das war, was pädagogisch- didaktischer Zeitgeist für solche Anlässe heute empfiehlt, nein, nein, solche Geschichten durften durchaus ihre Spannung erzeugen, die einen nicht gleich einschlafen ließ und euch auch heute noch mitunter als leichter Schauer durchfährt, wenn etwas dazu anregt, eine Spannung jener Art, wie sie sich viel in Beethovens Werk findet, wenn einem dieser musikalische Querverweis auf die Sprünge hilft.

 

Und in so einigen dieser Geschichten, vor allem in den klassischen Märchen, aber auch bei Jim Knopf oder dem Kasperl findet sich ein Subtext, der von Eingeweihten als die eigentliche Botschaft der Erzählung sofort verstanden wird:

Leidlich bekannt ist der kulturelle Sieg des (maskulin geprägten) Sonnenkalenders über den Mondkalender, der in Dornröschen in der Anzahl der geladenen Feen zitiert wird.

Oder Borderlining, das in Rumpelstilz durchschimmert ("Ach, wie gut, dass niemand..“)

Oder das alchimistische 1x1 des Kochens im Zwerg Nase.

Tu, was Du willst, in einer unendlichen Geschichte.

(Bei Beethoven gibt es solche Subpartitur ebenfalls, etwa in der 7. Symphonie)

 

Wenn es Urheber der alten Geschichten gibt (und es muss sie geben), so haben sie gut verstanden, ihre Geschichten so zu gestalten, dass sie Zeiten überdauern konnten und ihr Subtext immer noch erkannt werden kann, so wie wir inzwischen ein Lächeln in den Sternen erkennen können, dank unserer Wissenschaft.

Natürlich hätte man es auch bei der reinen Botschaft belassen können, wie es Lao Tse mit seiner I Ging Vorlage aber gar nicht erst versuchte, wo Wissenschaft inzwischen ja weiß, dass mit Emotionen unterlegtes Lernen deutlich vertiefender einwirkt, weshalb hierzulande auch dem Schmöker der Vorzug gegeben wird vor Sachbuchwissen, aber woher wussten es die alten Urheber von Geschichten und Symbolen zu ihrer Zeit?

Nicht zu vergessen, dass es wahrlich dunklere Epochen gegeben hat als unsere, auch wenn sich grad mal wieder nach Kräften darum bemüht wird und der Wissende schon immer in Gefahr war, wo wahres Wissen Herrschaft herausfordert.

 

War Lao Tse da nicht klüger als Bruno, sein Wissen dem Volk als Brot und Spiele zu schenken und zu leben, ohne dass das komplexe Wissen, dass sich darin verkörpert, über die Zeiten verloren gehen würde und also wieder entdeckt werden kann, etwa die achtfache Natur des Periodensystems, das Gesetz der Oktaven der schwingenden Welt, auch der binäre An/Aus Code als die symbolische Grundlage des bekannten Yin/Yangs und auch für mein praktisches Tun hier und wahrscheinlich kenne ich nicht mal die Hälfte aller Bedeutungen, die Lao Tse in das I Ging hinein gedacht hat…

 

Wenn ihr jedenfalls zu denen gehört, bei denen alte Geschichte noch Gefühlsregungen erzeugen, dann gibt es wahrscheinlich eine, der ihr mehr anhängt als allen anderen.

Vielleicht ist das so, weil die Botschaft darin mit dem korrespondiert, das euch gerufen hat ins Leben, euer Thema und wenn ihr glaubt, dass es das geben könnte und euch enthüllt werden wird, wollt ihr vielleicht wissen, ob das auch auf mich selbst zutrifft.

Oh ja.., meine Themengeschichte wurde oben schon erwähnt.

 

Und ihr könnt euch vielleicht meine Gefühle vorstellen, als ich seinerzeit, es war das Jahr 10 n.M.* an einem arbeitsfreien Tag am Strand von Amrum unterwegs und vor seinem Nebel Abschnitt zu einer Dünengruppe kam, aus der mich das Funkeln einer Discokugel lockte (und so, wie es das Foto zeigt, sich in drei Jahren, die dazwischen liegen auch kaum verändert hat, bis auf die Dachterrasse, die es da nicht mehr gab, wo sich windgeschützt der Nachthimmel betrachten ließ), stand ich dann erstmals vor diesem maritimen Hexenhäuschen, war aber ohne mein Gretel unterwegs und daher allein mit der Frage:

 

                 Was erwartet Dich, wenn Du da hinein gehst?

 

In den alten Geschichten betritt sich hier die Kapelle der Gefahren, ein Ort, an dem ihr euren Verstand verlieren könnt oder schlimmeres, ihr euch aber auch vor euch selbst als würdig erweisen könnt für das Geschenk des Lebens.

In einem Hexenhaus allerdings hat man ohne sein Gretel nur die Option von Jacob Nase, nämlich zu lernen und das Beste zu hoffen.

An jenem Tag ging ich nach ausgiebiger Betrachtung des Äußeren erst mal weiter.

 

Im Herbst wieder auf der Insel zu unserem Hochzeitstag betraten meine Frau und ich das Haus gemeinsam und waren entzückt, was sich dort alles entdecken ließ in seinem Innenhof und auch im Haus selbst und auf besagter Dachterrasse. Der Erbauer des Ganzen, ein Berliner Künstler namens Pancho machte seinem Stand alle Ehre, einen solchen Bau allein aus Strandgut zusammen getragen zu haben.

 

Im nächsten Juni fand ich nicht weit von Panchos Burg, wie das Haus genannt wurde ein Sandplateau vor, etwa 3,5 mal 1,5 Meter in seinem Ausmaß und darauf errichtet eine etwa 1 Meter hohe Pyramide mit exakten Proportionen, eine Sphinx, an der mehr zu erkennen war als an ihrem Original und einen tief ausgehobenen und umrandeten Orkus, der Raum seiner unterirdischen Ausweitung entsprach dabei wohl in etwa der Pyramidenmasse und der Sphinx (und war vielleicht auch ihr Baumaterial gewesen), kurzum, ich hatte an jenem Tag das große Glück, ein Meisterwerk vor mir zu schauen.

Das leider viel zu vergänglich war, denn als ich im Herbst erneut vorbei kam, war es längst verschwunden und am besagten Juni Tag auch ohne eine Kamera und Zollstock unterwegs, hoffte ich, wenigstens ein paar Fotos davon im Web zu finden, wo sich doch alles findet, eigene Katzen zumal, aber Pustekuchen. Versucht es ruhig selbst mal mit den entsprechenden Suchbegriffen...

 

Bei den späteren Amrum Aufenthalten schaute ich immer wieder gern in Panchos Burg und erfreute mich einer kurzen Rast und der Detail Vielfalt, die mit jedem Jahr immer noch zu wachsen schien.

 

2014, im Rahmen eines privaten Föhr Urlaubes, hatte ich während meines Amrum Trippens (das inzwischen immer dazu gehört) in Erfahrung gebracht, dass dort Freitag-abend ein Film im Inselkino gegeben wurde, der meiner Frau bestimmt auch gefallen würde, die mir an diesem Tag noch dazu reiste (wie wir das hier halten) und also nahmen wir die Abendfähre Fähre von Föhr nach Amrum, sahen in Norddorf die neuen X-Men und kurz vor Mitternacht zogen wir ins Outback zu unserem geliebten Hexenhaus, in dessen Innenraum es auch einen Korblampenschirm gab, der sich mit einer eingelegten Taschenlampe als Lichtquelle aktivieren ließ, Sekt und Plastikflöten auf den Tisch gestellt und dann tanzten wir in der Wind geschützten Räumlichkeit gute zwei Stunden lang dank meines Walkmans mit seinen zwei Kopfhörerausgängen zur Musik eines Mixtapes und ohne irgendwo anzustoßen…

                                   Ding Dong, die Hex‘ ist tot….

Das war eine Erinnerns werte Nacht, könnt ihr glauben, auch wenn ich zwischendurch immer mal nervös zu Tür schaute, ob es auch stimmte, dass die Hex..

Und der Weg zur ersten Fähre danach noch recht lang und Fuß lahm wurde.

 

Ein Jahr später hatten der Herbst und die Winterstürme die vorgelagerten Dünen zum Hexenhaus abgetragen, auch den es tragenden Sand, was das gesamte Konstrukt in Schräglage brachte. Zudem war Pancho nun krank, hieß es und nicht mehr imstande, die Schäden selbst zu beheben, wie in den Vorjahren, also fanden sich Einheimische und Gäste, die das nach Kräften restaurierten für alle, die hier so gern einkehrten.

 

Seit Herbst 2016 ist das Haus bis auf ein paar Balken völlig verschwunden, wie Pancho.

An seiner Stelle errichtete man später ein Holzhaus, weitestgehend frei von allem Gedöns, eher Bushaltestelle als Burg und schnell in eine Schieflage geraten.

Inzwischen liegt es zur Hälfte im Sand begraben.

 

Doch Dir danke ich sehr, lieber Pancho. Du hast einer alten Geschichte zu einer neuen Gestalt verholfen. Und das ist es doch, was Künstler eigentlich tun, oder?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

*) nach Millennium, eine alternative Zeitberechnung, die keine Religion darin bevorzugt