Totentanz

 

 

 

 

 

Ich steh auf Abstand am zugewiesenen Bistrotisch vor dem Traumcafé und hadere mit meiner Schreibblockade, über der sich der Schaum meines Latte DeGusto allmählich in jene trübe Farbe wandelt, die das Wetter des letzten Winters gewesen ist, während in der Schlange der Wartenden schon das eine oder andere Wort fällt, dass es nicht voran kommt mit mir. Der Nebentisch wechselt grad, mit zwei Frauen, bei denen es erst mal zu Wortwechseln über das übliche kommt, wie man diese Gegenwart so erlebt, als eine einen Anker zu mir herüber wirft.

 

..hoffentlich wird es bald mal wieder Kampnagel, mh?

 

Ü 40 Partys steigt ein Ahnen in mir auf, obwohl ihre Mundschutze einem die letzte Gewissheit vorenthalten. Egal, früher gab es dort die Ü 30 Partys, bevor uns die Zeit davongeeilt ist, weiß noch, wie ich da zum ersten Mal gelandet bin auf Wunsch eines Freundes, den ich viel zu lange nicht mehr gesehen hatte. Diese Partys kamen grad groß auf, meinte er, für Leute wie uns, wenn man noch irgendwie dabei bleiben wollte im süßen Reigen des sich Findens und Verlierens. Und wenn sich da doch mal was Jüngeres hinein mogelte, hatte er gegrinst, musste man das ja auch nicht gleich an die älteren Hexen verraten und hatte mich damit überzeugt.

 

Ich weiß noch beim letzten Mal, vor Corona, da war dem Pit doch gleich schlecht geworden…

 

Weil der zuvor etwas gegessen hatte in einem Laden, den sie beim Namen nennt, der sich aber bestimmt dagegen verwahren wird, wenn er hier genannt wird, obwohl ich ja anonym bin, also hat ein Ersatzmann dann weiter Musik auflegen müssen, der Luiz, der ja schon immer beim Pit gestanden hat und zuhause auch dafür übt, wie er immer getönt hat.

 

Wie der gewesen ist, will die erste wissen.

 

Eigentlich konnte dieser Luiz nicht viel falsch dabei machen, verrühre ich den Schaum im Becher über den eigenen Erinnerungen, die Musik da war ja beinah die gleiche gewesen, hatte ich nach dem zweiten Besuch festgestellt, als Gloria Gaynor uns alle rausschmiss, ihr Versprechen, dass sich so etwas überleben lassen muss. Beim dritten Besuch war ich sogar sicher gewesen, dass es die gleichen Titel waren, erzählten vielleicht von den bedeutsamen Momente gemeinsamer Jugendjahre, mit Satisfaction zur Happy Hour, aber bei diesem Besuch war ich Gitti begegnet, zuerst an der Kasse und dann auf der Tanzfläche, hatte ihr zugesehen bei It’s Raining Man und Papa Was A Rolling Stone, danach dem Sambatrommeln, wie sich unter ihrem Stoff die Früchte der Reife hoben und senkten, was mich in Stimmung brachte, auch wie Gitti herüber sah, stets ein Lächeln für meine Richtung, in der hinter mir auch nur noch Wand war und endlich kam der Männerteil, meine Pheromon Produktion in Gang zu bringen zu Black Betty, Highway To Hell, Rocking All Over The World, Rabaukenrock, den sie neben mir grad an den Fingern abzählt, und ich sehe wie ihr Gegenüber dazu munter wippt und bedauert, an dem Tag verhindert gewesen zu sein, Mutters 75. Geburtstag draußen im Friesischen, tja, was soll man machen. Die andere nippt mit einem Ja, ja an ihrem Kaffee.

 

Dann war Gittis und mein Moment gekommen zueinander zu finden, bei Günther Jauch würde es bestimmt keinen Joker brauchen, das Stück dafür vorher zu sagen, nur bei Smells Like Teen Spirit lässt sich der Duftglanz alter Tage noch einmal so erleben, wie man sich wieder und wieder danach sehnt und wie unsere Nacht dann noch wurde, na, das ist eine andere Geschichte, lässt es mich fast am Tischrand festhalten, aber wer weiß, wer da vorher gesessen hat und mit was…

 

..und dann spielt er plötzlich It’s all over now, Baby Blue, im Ernst.

 

Oh, dieser unsensible Mensch!! entfährt es uns fast gleichzeitig und wir sehen uns verlegen an, während es plötzlich still um uns geworden ist.

 

Tja, so ist das mit Schreibblockaden und der Luiz muss jetzt wieder bei sich zuhause auflegen, wo ihm niemand zusieht.